Interview mit
Johann Reiter,
CEO der
Vetropack-Gruppe

«Wir waren zu jeder Zeit vollumfänglich lieferfähig

Die Covid-Pandemie hat die Welt 2020 aus dem Tritt geworfen. CEO Johann Reiter berichtet im Interview, wie Vetropack mit der Krise umgegangen ist und welche strategischen Implikationen er daraus zieht. Sein Fazit: Die langfristige Perspektive der Gruppe bewährt sich.

2020 wird als Jahr der Covid-Pandemie in die Geschichte eingehen. Wenn Sie heute zurückblicken, wann wurde Ihnen die ganze Tragweite der Krise bewusst?

So richtig deutlich wurde sie mir, wie vielen anderen wohl auch, im März, als in verschiedenen europäischen Ländern scharfe Restriktionen eingeführt wurden. Ab dann haben sich die Dinge unglaublich schnell verändert und zwar in einem Ausmass, das vorher undenkbar gewesen war. Anfang März besuchte ich noch Kunden in Österreich und wenige Tage später fand unser erstes gruppenweites Covid-Krisenmeeting statt.

Vetropack hat sofort Massnahmen zur Sicherung des Geschäfts ergriffen. Was war dabei zentral?

Wir konnten in der gesamten Gruppe schnell ein gemeinsames Verständnis über den Ernst der Situation herstellen. Das war aus meiner Sicht das Wichtigste. Geholfen haben dabei die Berichte unserer Kolleginnen und Kollegen aus Norditalien, wo das Virus europaweit die ersten Opfer forderte. Dort war man vor allen anderen gezwungen, Massnahmen umzusetzen. Von den in Italien gesammelten Erfahrungen konnten dann alle übrigen Länder profitieren.

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Und welches waren die wichtigsten Massnahmen?

An allen Standorten wurden – abgestimmt auf die länderspezifischen Vorschriften – umfassende Schutzkonzepte für unsere Mitarbeitenden umgesetzt. Um uns gruppenintern abzustimmen und alle Massnahmen zu koordinieren, initiierten wir das zweiwöchentliche Covid-Meeting, mit den Themen Cash-Management und Lagerentwicklung als Dauertraktanden. Rasch suchten wir auch den Kontakt zu unseren Kunden und Lieferanten sowie den jeweiligen Behörden. Wir mussten sicherstellen, dass die Versorgungskette durchgängig und ohne Unterbrüche funktionierte und wir unsere Werke offenhalten konnten. Beides ist gelungen: Wir waren zu jeder Zeit vollumfänglich lieferfähig.

Mit einem Umsatzminus von 3,5 Prozent in Lokalwährungen und einer nur leicht tieferen Wertschöpfung ist Vetropack 2020 vergleichsweise glimpflich durch die Krise gekommen. Welche Faktoren sind für diese relative Krisenfestigkeit verantwortlich?

Wir sind mit unseren Glasverpackungen für Lebensmittel und Getränke zu einem gewissen Grad systemrelevant. Ohne Verpackungen gehen die Produkte nicht in den Handel und damit auch nicht zu den Konsumenten. Das gibt unserem Geschäft eine Grundstabilität. In der Glasherstellung ist man zudem gezwungen, an 365 Tagen im Jahr durchgehend zu produzieren. Dazu braucht es neben viel Flexibilität auch die Fähigkeit, rasch zu reagieren und sich anzupassen. Dies hat uns in der Krise geholfen. Und ein grosser Verdienst kommt nicht zuletzt dem gesamten Management und all unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu, die ohne Unterbruch hervorragende Arbeit geleistet haben.

Wo hat die Pandemie Vetropack am stärksten getroffen?

Vom geschäftlichen her sicherlich im Bereich Gastronomie – also dort, wo Getränke und Lebensmittel direkt vor Ort konsumiert werden. Da sind die Umsätze zeitweise gegen Null gesunken. Einen Teil davon konnten wir erfolgreich kompensieren durch Zusatzanstrengungen im Bereich des privaten Konsums.

... und im menschlichen Bereich?

Die behördlichen Restriktionen und Vorgaben verändern unser gesamtes soziales Verhalten. Wenn die Mitarbeitenden ihre Arbeit nur noch unter strengen Sicherheitsmassnahmen verrichten dürfen, ist das vor allem im Produktionsbereich, wo harte körperliche Arbeit geleistet wird, einschneidend und sehr belastend.

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Haben die Schutzkonzepte funktioniert?

Ja, und zwar von Beginn weg. Wir haben unsere Schutzmassnahmen konsequent umgesetzt und verzeichneten keine einzige Ansteckung. Darauf sind wir stolz.

2019 hat Vetropack eine neue, bis 2030 reichende Strategie festgelegt? Mit Corona sieht die Welt nun anders aus. Sind Anpassungen in der Strategie notwendig?

Wir denken und handeln langfristig. Dies kommt in unserer Strategie zum Ausdruck, die ganz bewusst auf 10 Jahre, und damit in etwa auf die Lebensdauer einer Schmelzwanne, ausgelegt ist. Unabhängig von Covid überprüfen wir die Strategie jährlich auf ihre Gültigkeit. Und ich kann sagen, alle wesentlichen Elemente unserer Strategie bleiben unverändert. Diese langfristige Perspektive wird auch von unseren Kunden und Lieferanten geschätzt – unsere Kooperationen sind entsprechend aufgebaut. Die Krise hat uns diesbezüglich nochmals bestätigt, wie wichtig es ist, dass man sich auf seine Partner verlassen kann.

Was waren 2020 die wichtigsten strategischen Meilensteine?

Ganz zentral: Wir konnten unsere Marktanteile weiter ausbauen. In diesem Zusammenhang war die Akquisition in Chişinău, Moldawien, ein wichtiger strategischer Schritt. Dass wir diese Übernahme trotz Covid durchziehen konnten, zeigt, wie gut wir aufgestellt sind. In Kroatien haben wir zudem eines unserer grössten und wichtigsten Schmelzwannen-Erneuerungsprojekte der letzten Jahre erfolgreich umgesetzt. Ein ganz wichtiger Meilenstein war darüber hinaus die Zertifizierung unseres Standorts in Bülach als «Great Place to Work». Und nicht zu vergessen, alle Aktivitäten rund um unser Greenfield-Projekt in Italien.

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Johann Reiter

CEO der
Vetropack-Gruppe

«Alle wesentlichen Elemente unserer Strategie bleiben unverändert.»

Und 2021?

Da werden wir weitere wichtige Meilensteine für das neue Glaswerk im italienischen Boffalora setzen. Zudem treiben wir die Nutzung von Synergien innerhalb der Gruppe weiter voran.

Stehen weitere Übernahmen auf dem Programm?

Das ist eine gute Frage und kommt auf die Opportunitäten an. Die Vetropack-Gruppe hat in ihrer Geschichte einige Übernahmen getätigt, die allesamt erfolgreich waren. Akquisitionen sind und bleiben Bestandteil unserer Strategie – wir werden sehen, was sich ergibt.

Auch Innovation spielt strategisch eine wichtige Rolle. Mit dem «VIP Glass» – Vetropack Improved Performance Glass – hat Vetropack eine wiederverwendbare Leichtglasflasche auf den Markt gebracht. Wie sind die ersten Reaktionen?

Die Rückmeldungen sind unglaublich gut: Unser Kunde wie auch die Konsumenten sind begeistert. Die Neuheit wurde vorerst regional begrenzt lanciert, um Erfahrungen zu sammeln. Lob findet nicht nur das 30 Prozent tiefere Gewicht der neuen Flasche, sondern auch ihr Erscheinungsbild, das sich positiv von den Standard-Mehrwegflaschen abhebt.

Wie verläuft der weitere Marktaufbau und welches Potential hat das «VIP Glass»?

2021 wollen wir in weiteren Märkten kleinere Kunden gewinnen, unter anderem auch in der Schweiz. Für konkrete Zahlen zum Umsatzpotenzial ist es aktuell aber noch zu früh. Wir sind ja noch immer in der Testphase. Ich bin aber überzeugt – und unsere bisherigen Erkenntnisse unterstützen dies –, dass wir mit dem «VIP Glass» ein sehr interessantes Produkt mit viel Potenzial für die Zukunft haben. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wir damit einen Beitrag leisten zu mehr Nachhaltigkeit.

«Glas hat als Verpackung für Lebensmittel und Getränke viele gute Argumente für sich.

Profitiert Vetropack ganz allgemein vom grünen Trend?

Letztlich entscheidet der Kunde, welche Art Verpackung er bevorzugt. Bei Lebensmitteln und Getränken vermag Glas aber in vielerlei Hinsicht zu punkten. So lässt sich das Material unendlich oft und ohne Verlust rezyklieren. Durch die verwendeten Farben bietet es zum Beispiel auch Schutz vor Sonneneinstrahlung. Und seine Haptik: Sie ist einfach unvergleichlich. Im Moment, in dem man Glas berührt, baut man ein Gefühl auf.

Zum Schluss eine persönliche Frage: Worauf freuen Sie sich nach dem Ende der Corona bedingten Einschränkungen am meisten?

Geschäftlich freue ich mich auf eine Gesprächs- und Meeting-Kultur, die nicht mehr ausschliesslich über digitale Kanäle stattfindet: Dass man sich wieder treffen und persönlich austauschen kann. Privat am Herzen liegt mir der direkte Kontakt mit meiner Familie in Österreich. Und ganz unmittelbar freuen sich meine Frau und ich darauf, wieder ein Restaurant und Veranstaltungen – egal, ob Sport oder Kultur – besuchen zu dürfen.

Interview: Christoph Gaberthüel, AWP (awp Finanznachrichten AG)

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