Interview mit
Johann Reiter,
CEO der
Vetropack-Gruppe

«Weitere evolutionäre Schritte müssen folgen.»

Evolution statt Revolution hatte Vetropack CEO Johann Reiter bei seinem Amtsantritt 2018 versprochen. Jetzt stellt er im Interview fest, dass die Evolution 2019 Fahrt aufgenommen habe. Weitere Schritte müssten aber folgen. Evolutionär ist denn auch die Strategie 2030, die im vergangenen Jahr erarbeitet wurde. Darin wird etwa festgehalten, dass Vetropack zu einem Vorreiter in Sachen Innovation und Nachhaltigkeit werden soll. 

Herr Reiter, welche Bilanz ziehen Sie für das Geschäftsjahr 2019 von Vetropack?

Ich ziehe eine positive Bilanz. Wir vermochten das gute Marktumfeld zu nutzen und konnten uns weiterentwickeln. Wirtschaftlich war 2019 ein sehr gutes Jahr. Dies, obwohl wir zwei grosse Projekte abgewickelt haben. Wir hatten je eine Wannenrevision in der Slowakei und in der Ukraine. Nicht zu vergessen sind unsere Aktivitäten in Italien, wo wir auf der grünen Wiese ein neues Glasverpackungswerk bauen werden. Das alles hat uns sehr gefordert. Zudem gab es eine Änderung im Top-Management. Seit Mitte Jahr leitet Evan Williams als CCO den gruppenweiten Bereich Marketing, Sales und Produktionsplanung. Er hat sich sehr schnell eingearbeitet. Bei meinem Amtsantritt vor zwei Jahren habe ich gesagt, ich werde keine Revolution, sondern eine Evolution einleiten. Diese Evolution hat 2019 Fahrt aufgenommen.

Welche Ziele hat Vetropack 2019 erreicht?

Wir haben unsere Planungsziele bezüglich Umsatz und Betriebsergebnis erreicht. Bedeutende Projekte, wie die bereits erwähnten Wannenrevisionen, konnten wir positiv abschliessen. Zudem haben wir weitere Schritte in Richtung Automatisierung und Digitalisierung gemacht. Beispielsweise haben wir unser ERP-System auf die nächste Version umgestellt – und zwar ohne Zeit- und Kostenüberschreitungen.

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Wo muss Vetropack 2020 noch nachbessern?

Den evolutionären Schritten, die wir in den vergangenen Jahren gemacht haben, müssen weitere folgen. Die Geschwindigkeit ist hoch. Zum Beispiel haben wir 2019 eine umfassende Mitarbeiterumfrage durchgeführt und Kunden der Vetropack-Gruppe befragt. Wir haben Ende 2019 die Umfragen analysiert und bereits einen grossen Teil der Verbesserungspotenziale definiert. 2020 steht im Zeichen der Umsetzung.

Vetropack ist es 2019 gelungen, den Umsatz zu steigern. Welche Hauptfaktoren haben diese Steigerung möglich gemacht?

2018 konnten wir unter anderem den Umsatz aufgrund der Lagerbestände steigern. 2019 war das anders. Im vergangenen Jahr haben wir die Umsatzsteigerung durch höhere Produktion und höhere Produktivität erreicht. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisteten die Projekte, die wir 2018 durchgeführt haben. Zudem positionierten wir uns im vergangenen Jahr mit einem guten Produktemix. Im Rahmen der Umsetzung des Projektes «Blue» haben wir zum ersten Mal blaues Verpackungsglas produziert, und zwar in der Slowakei. Da die Nachfrage gross war und ist, werden wir 2020 wiederum blaues Glas durch Wannenfärbung herstellen.

Vetropack konnte 2019 auch das operative Ergebnis deutlich verbessern. Was waren die Hauptgründe dafür?

Die Projekte zur Erhöhung der Produktivität zeigten Wirkung: Auf der einen Seite haben zahlreiche Mitarbeitende aus den Produktionen unserer Gruppen-Unternehmen in unserem eigenen Trainingszentrum in Österreich eine Weiterbildung absolviert. Fähigkeiten gezielt zu verbessern, verändert vieles. Und dazu kam – wie schon gesagt – der vorteilhafte Produktemix.

Was hat sich Vetropack für 2020 vorgenommen?

2020 erwarten wir ein ähnlich positives Marktumfeld wie 2019. Deshalb gehen wir davon aus, dass wir unsere Erfolgsgeschichte fortschreiben können. Im laufenden Jahr setzen wir eine grosse Wannenrevision in Kroatien um. Dieses Projekt wird die ganze Gruppe beschäftigen, denn wir werden nicht nur eine Schmelzwanne revidieren, sondern die gesamte Produktionsanlage modernisieren. Das führt selbstverständlich zu einem längeren Produktionsunterbruch. Daneben läuft das Neubauprojekt in Italien auf Hochtouren. Am 1. August 2022 soll das neue Vetropack-Glaswerk in Boffalora sopra Ticino seinen Betrieb aufnehmen.

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Für das Geschäftsjahr 2019 wird der Nachhaltigkeitsbericht zum ersten Mal in den Geschäftsbericht integriert. Wollen Sie damit sagen, dass Vetropack ein Unternehmen ist, das schon heute voll nachhaltig wirtschaftet?

Auf jeden Fall. Vetropack wirtschaftet nur schon aufgrund des Charakters ihrer Produkte nachhaltig. Der wiederverwendbare Werkstoff Glas ist dafür genial. Dennoch ist uns bewusst, dass wir uns nicht damit zufriedenstellen können. Es gibt noch viel zu tun. Aber mit unserem ersten Integrierten Geschäftsbericht verdeutlichen wir unser ganzheitliches Verständnis der Wertschöpfung, das nicht nur finanzielle, sondern auch nichtfinanzielle Werte umfasst. 

Auch eine Premiere ist, dass der integrierte Geschäftsbericht nicht mehr gedruckt wird, sondern nur noch online erscheint. Ist das ebenfalls der Nachhaltigkeit geschuldet?

Absolut. Das gehört genau zu diesem Thema. Wir passen den Geschäftsbericht damit der Zeit an, die übrigens nicht nur von einem zunehmenden Nachhaltigkeitsdenken geprägt wird, sondern auch von einer wachsenden Digitalisierung.

2019 hat Vetropack eine neue, bis ins Jahr 2030 reichende Strategie erarbeitet. Warum wurde das gemacht? Das Geschäft läuft ja ausgezeichnet.

Man muss sich regelmässig mit der Zukunft auseinandersetzen und Visionen weiterentwickeln. Deshalb haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wo Vetropack in den nächsten zehn Jahren in der Glasverpackungsindustrie Europas stehen soll. Wir haben bewusst einen breiten Ansatz gewählt und das gesamte Unternehmen nach Stärken und Schwächen abgeklopft und Szenarien für die Entwicklung der Branche und der Märkte entwickelt. Die Strategieentwicklung erfolgte durch ein Team, das aus acht Kernmitgliedern und externer Unterstützung bestand. Dazu kam ein erweitertes Team mit Mitgliedern aus allen Alters- und Hierarchiestufen sowie aus allen Unternehmen der Gruppe. Die neue Strategie wird in den nächsten Jahren durchaus spürbar werden und Veränderungen auslösen. Es wird deshalb wichtig sein, dass wir die Strategie unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verständlich kommunizieren und diese in die Veränderungsprozesse miteinbeziehen. 

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Johann Reiter

CEO der
Vetropack-Gruppe

«Man muss sich regelmässig mit der Zukunft auseinandersetzen und Visionen weiterentwickeln.»

Die Strategie reicht bis ins Jahr 2030. Das sind von jetzt an gerechnet zehn Jahre. Kann man in der schnelllebigen Zeit, in der wir uns befinden, überhaupt noch so lange vorausplanen?

Der Zeitraum von zehn Jahren bis 2030 war uns wichtig, weil unsere Investitionszyklen auch so lang sind. Gerade in unserer Industrie geht nichts ohne einen langfristigen Plan. Was wir tun, zeigt erst in fünf bis sieben Jahren Ergebnisse. Eine grosse Organisation ist wie ein grosser Tanker, dessen Fahrtrichtung nicht so schnell verändert werden kann. Wir werden die Strategie allerdings jedes Jahr überprüfen und falls notwendig, Anpassungen vornehmen.

Wo liegen die Schwerpunkte der Strategie 2030?

Ein wichtiges Thema ist die Innovation. Hier wollen wir ein Trendsetter sein. Ein Beispiel dafür ist das VIP Glass – Vetropack Improved Performance Glass. Wir haben im Frühjahr 2019 erstmals eine Leichtglasflasche erfolgreich für die Mehrwegnutzung auf einen räumlich begrenzten Markt gebracht. In den nächsten Monaten und Jahren werden wir diese Technologie für weitere Glasgebinde weiterentwickeln. Ein zusätzlicher wichtiger Punkt ist die konsequente Integration verschiedener Nachhaltigkeitsaspekte in unsere Wertschöpfungskette. Wir wollen eine Vorreiterin in der Branche sein. Deshalb möchten wir den Anteil der Scherben an der Verpackungsglasproduktion deutlich erhöhen – wir wollen also das Recycling noch weiter intensivieren. Ausserdem sollen Photovoltaikanlagen auf den Dächern unserer Fabriken die Produktion vermehrt mit erneuerbarer Energie versorgen. Ferner beschäftigen wir uns mit der Organisation und den Mitarbeitenden. Wie wollen uns bestmöglichst aufstellen, damit wir im Markt erfolgreich sind. Aus- und Weiterbildung ist dazu ein wichtiger Faktor. Auch der Verkauf hat eine Schlüsselfunktion: Unser Ziel ist es, neue Produkte mit neuen Geschäftsmodellen erfolgreich im Markt zu platzieren und damit neue Kunden zu gewinnen.

Sie haben gerade vom Verkauf geredet. Eng damit verbunden ist das Wort «Wachstum». Haben Sie in der neuen Strategie auch Wachstumsziele formuliert?

Ja natürlich. Aber ich werde sie Ihnen nicht verraten. Nur so viel: Wir sind bekannt dafür, dass wir in der Vergangenheit nicht nur organisch, sondern auch über Akquisitionen gewachsen sind. Das wollen wir in Zukunft weiter tun, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Wachstum ist ganz klar ein wesentlicher Teil der Strategie. Wir wollen aber nicht um des Wachstums willen wachsen; sondern gezielt profitable Entwicklungschancen nutzen.

Interview: Martin Gollmer, Journalist

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