Interview mit
Johann Reiter,
CEO der
Vetropack-Gruppe

«Wir haben unsere Strategie zum richtigen Zeitpunkt überarbeitet

Corona hatte die Welt auch 2021 weiter im Griff. Während die mit der Pandemie verbundenen Massnahmen und Auflagen die gesellschaftlichen Spannungen eher noch verschärft haben, herrschte bei vielen Unternehmen Aufbruchstimmung. Johann Reiter, CEO der Vetropack-Gruppe erläutert, wie die Unternehmensgruppe im letzten Jahr trotz anhaltender Unsicherheiten die Umsetzung ihrer neuen Strategie weiter voran getrieben hat.

Die Pandemie hat das Leben 2021 mehr geprägt als viele zu Beginn des Jahres angenommen haben. Wie stark war Vetropack im Berichtsjahr noch von Corona beeinflusst?

Vielenorts konnten die Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ab dem Frühling 2021 gelockert werden. Dies hatte in verschiedener Hinsicht positive Auswirkungen auf unsere Gruppe. Einerseits sieht man dies natürlich in unserem erfreulichen Jahresergebnis. Andererseits verspürte man allenorts eine positive Aufbruchstimmung. Allerdings stellte die rasch anziehende Nachfrage auch eine Herausforderung dar. Wir sind froh, dass es uns gelungen ist, unsere Beschaffung, Produktion und Logistik so einzustellen, dass wir alle zentralen Kundenanliegen befriedigen konnten.

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Johann Reiter

CEO der
Vetropack-Gruppe

«Bei Vetropack wirken die aktuellen Krisen als positive Beschleuniger

Wo hat sich denn die positive Stimmung konkret gezeigt?

Eines meiner Highlights im letzten Jahr war die gute Integration des Ende 2020 akquirierten Werks in der Republik Moldau. Dies obwohl wir aufgrund der Restriktionen wenig vor Ort sein konnten und die neuen Kontakte vor allem virtuell aufbauen und pflegen mussten. Dies war nur möglich, weil sich alle Beteiligten der Chance, die sich bietet, bewusst waren. Die Pandemie hemmt viele Unternehmen in ihrer Entwicklung. Wenn wir diese Zeit nutzen und agil auf die laufenden Veränderungen reagieren, generieren wir Wettbewerbsvorteile und können gestärkt aus der Krise hervorgehen. Beim Bau unseres neuen Standorts in Italien sieht es ähnlich aus. Während man sich vielleicht früher aus Unsicherheit gegen eine solche Veränderung gesträubt hätte, wird heute dieser Transformationsprozess begrüsst. Bei Vetropack wirken die aktuellen Krisen als positive Beschleuniger – auf verschiedenen Stufen.

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Wie sieht es denn mit der Umsetzung der 2019 verabschiedeten, neuen Strategie aus? Wurde diese durch die Pandemie gehemmt? 

Wir haben unsere Strategie zum richtigen Zeitpunkt überarbeitet. Die Herausforderungen der Pandemie haben die Umsetzung der neuen Strategie intensiviert. Durch die Veränderungen der letzten Zeit mussten wir uns detailliert mit unserem Geschäftsmodell auseinandersetzen. Die Pandemie hat unsere Flexibilität und unseren Veränderungswillen unternehmensweit massiv gesteigert. Denn in allen Branchen zeigte sich, dass agile Unternehmen als Gewinner aus dieser Krise gehen werden. 2021 wurde viel Strategiearbeit geleistet. Wir haben uns auch nicht gescheut, nochmals an den Grundlagen zu feilen.

Die vor der Pandemie als zentral definierten fünf strategischen Stossrichtungen sind aber noch gültig?

Diese strategischen Stossrichtungen sind grundlegend und müssen auch gerade in einer Krise funktionieren. Es geht darum, was Vetropack ausmacht und in Zukunft noch erfolgreicher machen soll. Deshalb: ja. Aber, wir haben uns im letzten Jahr Gedanken über ihre Gewichtung gemacht und «clearly sustainable» was für eine selbstverständliche, gelebte Nachhaltigkeitskultur steht – neu als oberste strategische Stossrichtung aufgeführt.

«Wir werden deutlich mehr Ressourcen für Innovation bereit stellen

Wie kam es zu diesem Entscheid?

Die globale Pandemie hat zu einem veränderten Bewusstsein für globale Probleme geführt. Es war rasch klar, dass jeder – vom Individuum bis zum Staat – seinen Beitrag leisten muss. Und dass global koordinierte Massnahmen die höchste Wirksamkeit besitzen. Viele wichtige Nachhaltigkeitsthemen würden ebenfalls ein solch gemeinsames Vorgehen benötigen. Bei Vetropack hat diese veränderte Einstellung dazu geführt, dass wir inskünftig unsere unternehmerischen Entscheide in den Kontext globaler Herausforderungen stellen und entsprechend adressieren möchten.

Welche globalen Probleme kann denn ein Unternehmen wie Vetropack lösen?

Unsere Einflussmöglichkeiten sind durch unser Kerngeschäft gegeben. Wir verbrauchen limitierte Ressourcen, haben einen hohen Energiebedarf, beschäftigen zahlreiche Menschen und sind über unsere Produkte Teil des Konsumsystems. Diese Themen finden sich in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Der Auftrag ist dadurch eigentlich klar: Wir haben einen Beitrag an die entsprechenden Ziele 5 («Geschlechtergleichheit»), 9 («Industrie, Innovation und Infrastruktur»), 12 («nachhaltiger Konsum und Produktion») und 13 («Massnahmen zum Klimaschutz») für eine nachhaltige Entwicklung zu leisten. Wir sehen das aber als einen langjährigen Prozess. Diese Themen sind nun neu Teil unserer strategischen Agenda. Uns ist aber bewusst, dass wir inskünftig auch entsprechende Massnahmen forcieren müssen.

Beitrag zu den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen

Diese 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung sind ja sehr umfassend und komplex. Wo liegt denn – auch operativ – Ihr Fokus?

Umweltthemen beschäftigen uns bei Vetropack schon sehr lange. Wir bemühen uns seit jeher um den sparsamen, effizienten Einsatz von Ressourcen. Um ehrlich zu sein: nur schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Viele andere Unternehmen verhalten sich ähnlich. Und die breite Masse spricht zwar über das Thema, macht sich auch durchaus Sorgen, aber ist kaum zu Verhaltensänderungen bereit. 2021 hat sich nun aber die Klimakrise nochmals deutlich akzentuiert. Wir sind nun plötzlich an einem Punkt angelagt, wo das Thema den Alltag sehr vieler Menschen tangieren könnte. Die steigenden Energiekosten könnten sich zu einem ernsthaften Problem für viele Haushalte entwickeln. Auch deshalb ist bei uns im letzten Jahr die Überzeugung gewachsen: Vetropack soll ein «green frontrunner» werden und Veränderung rascher und vehementer anstossen, einfordern und vorleben. Beispielsweise indem wir bis 2025 nur noch «grünen Strom» einsetzen. Auch wenn dadurch unsere Energiekosten – Stand heute – noch stärker steigen werden als ohnehin im Zuge der aktuellen Entwicklung.

Die Energiepreise sind ja nur eine Herausforderung von globalen Wertschöpfungsketten. Wie sieht es für Vetropack an anderen Fronten aus?

Das sicherlich bekannteste Problem ist der Chip-Mangel. Vetropack ist davon noch nicht direkt betroffen. Aber ich bin überzeugt, dass wir uns in naher oder ferner Zukunft auch damit intensiver beschäftigen werden. Wie viele Industrieunternehmen treiben auch wir die Digitalisierung voran. Dafür benötigt man natürlich auch Hardware und mit immer mehr IT-Komponenten bestückte Anlagen. Gute Lieferantenbeziehungen sind für uns deshalb ein wichtiges Kapital. Mit der Lieferantenpflege ist es aber natürlich nicht getan. Wir müssen weit voraus schauen, agil und proaktiv sein, um sich frühzeitig den Zugriff auf knappe Ressourcen zu sichern. Deshalb haben wir 2021 auch dem Supply Chain Management mehr strategisches Gewicht verliehen und eine entsprechende Position auf Stufe Gruppenleitung geschaffen. Eine solch zentrale Position ist auch wichtig, um unseren «group first»-Anspruch immer im Blick zu behalten und inskünftig noch nachdrücklicher durchzusetzen.

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Am anderen Ende der Wertschöpfunsgkette stehen die Kunden. Wo legten Sie da im vergangenen Jahr den Fokus?

Klar im Zentrum steht für uns die Stärkung unserer Innovationskraft. Glas ist das ideale Verpackungsmaterial, um dem gesteigerten Bedürfnis des Marktes nach mehr Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen. Aber wir müssen die Aufmerksamkeit mit innovativen Produkten auf uns ziehen. Das «VIP-Glas» ist das perfekte Beispiel. Gehärtetes Glas bedeutet weniger Materialbedarf, weniger Gewicht, weniger Emissionen, mehr Komfort. Ein einleuchtendes, erfolgversprechendes Konzept, das wir weiter ausrollen werden. Damit mehr solche Beispiele folgen können, investieren wir in ein Innovationszentrum. Denn diese Entwicklungsarbeit kann nicht mehr wie bisher neben dem Tagesgeschäft in der Produktion erledigt werden. Wir werden deshalb deutlich mehr Ressourcen für Innovation bereit stellen. Was nicht bedeutet, dass wir Fortschritt nicht auch wie bisher dezentral an all unseren Standorten voran treiben. Da nehmen unsere Produktionsmitarbeitenden eine wichtige Funktion ein, denn niemand sieht unsere Produktionsprozesse mit einem vergleichbaren Detaillierungsgrad als sie. Mit den von ihnen initiierten, stetigen Optimierungen aller Bausteine können über die Zeit hervorragende Fortschritte erzielt werden. So hat man sich in unserem Betrieb in der Tschechischen Republik zuletzt verstärkt der Herausforderung des Einsatzes von Recyclingglas beim Weissglas angenommen. Dadurch sind wir heute in der Lage, Weissglas mit über 70 Prozent Altglasanteil herzustellen, was hervorragend ist. Und natürlich dem Wunsch unserer Kunden nach nachhaltigen Produkten entgegen kommt.

Solche Fortschritte sind ja nur mit dem entsprechenden Know-how in der Belegschaft möglich. Wie investiert Vetropack in diese wichtige Ressource?

Der Fachkräftemangel ist in vielen Branchen ein Thema. So auch bei uns. Entsprechend bilden wir unsere Leute verstärkt auch intern weiter. Dass wir für dieses junge Projekt mit dem «Merit Award» bereits eine internationale Auszeichnung gewonnen haben, freut uns natürlich sehr. Ebenso viel Freude bereitet uns die «Great Place to Work® Switzerland»-Auszeichnung vom 26. Mai dieses Jahres. Und für uns ist klar: Die Schweiz darf da gruppenweit nicht eine Sonderrolle einnehmen. Um für all unsere Mitarbeitenden ein geschätzter Arbeitgeber zu sein, werden wir 2022 eine umfassende Zufriedenheitsanalyse machen und dann – wie in all unseren wesentlichen Themenbereichen – evidenzbasierte Massnahmen an die Hand nehmen.

Interview: Sibylle Umiker, Sustainserv GmbH