Das erste Semester 2024 zählt zu den schwierigsten in unserer Firmengeschichte.
Claude R. Cornaz
Präsident des Verwaltungsrats
Die ersten sechs Monate des Geschäftsjahres 2024 brachten für die Vetropack-Gruppe eine leichte Verbesserung gegenüber dem schwachen zweiten Halbjahr 2023. Mit einem Nettoerlös aus Lieferungen und Leistungen von CHF 444.9 Mio. (Vorjahr: CHF 477.9 Mio.) verzeichnete die Vetropack-Gruppe einen Rückgang von –6.9 Prozent (währungsbereinigt –4.4 Prozent) gegenüber demselben Zeitraum des Vorjahres. Eine gewisse Stabilisierung in unseren Kernmärkten ist erkennbar, von einer generellen Erholung kann jedoch noch nicht gesprochen werden. Wir rechnen deshalb auch für die zweite Jahreshälfte nicht mit Wachstum, sondern gehen für 2024 weiterhin von einem Gesamtjahresergebnis aus, das unter dem des Vorjahres liegen wird.
Die Nachfrage nach Glasverpackungen und demzufolge auch unsere Absätze stagnieren auf einem niedrigen Niveau und die Märkte erholen sich nur langsam. Dies spiegelte sich in den ersten sechs Monaten 2024 unter anderem in einer hohen Zahl von Linienstillstandstagen wider: Um Überkapazitäten und damit einem möglichen Preisverfall entgegenzuwirken, haben wir Kapazitäten zeitweise ausser Betrieb oder, wie an unserem Standort in Kyjov, später als geplant wieder in Betrieb genommen.
Das vorausschauende Management unserer Produktionskapazitäten wird auch im zweiten Halbjahr essenziell sein, wenn wir das Geschäftsjahr wie geplant abschliessen wollen. Darüber hinaus werden wir unseren Fokus auf Kostensenkungen und -einsparungen beibehalten. Konkret bedeutet dies: Wir werden kein weiteres Personal einstellen und bereits geplante Investitionen in unsere Werke laufend neu beurteilen und wenn möglich verschieben.
Im Vergleich zum äusserst starken ersten Halbjahr des vergangenen Jahres fiel das erste Semester 2024 wie erwartet schwach aus. So sank die EBIT-Marge im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 14.7 Prozent auf 8.5 Prozent. Gründe hierfür sind zum einen der positive Lagereffekt im ersten Halbjahr 2023 und zum anderen der ab dem zweiten Halbjahr 2023 zunehmende Preisdruck im Markt aufgrund von Überkapazitäten sowie die schlechtere Absorption der Fixkosten. Die Nettoerlöse lagen im ersten Halbjahr 2024 bei CHF 444.9 Mio. – ein Rückgang von –6.9 Prozent gegenüber den aussergewöhnlich starken ersten sechs Monaten des Vorjahres. Erfreulich ist jedoch, dass wir gegenüber dem zweiten Halbjahr 2023 bereits wieder ein leichtes Wachstum von 5.7 Prozent erzielen konnten. Dies zeigt, dass unsere Massnahmen zur Steigerung der Kosteneffizienz greifen und der Markt erste Anzeichen einer leichten Erholung aufweist.
Der Energieaufwand ging zwar gegenüber dem Vergleichszeitraum markant zurück, ist jedoch in Bezug auf die produzierte Menge hoch, da die Schmelzwannen erst bei hoher Auslastung ihr Höchstmass an Energieeffizienz erreichen. Dank des strikten Cash-Managements ging die Cash Flow-Marge gegenüber dem Vorjahreszeitraum nur leicht von 17.9 Prozent auf 15.2 Prozent zurück. Der Konzerngewinn von CHF 9.4 Mio. fällt aufgrund der mit der Schliessung des Werks in St-Prex verbundenen Aufwendungen entsprechend niedrig aus. Nach wie vor steht die Vetropack-Gruppe mit einer Eigenkapitalquote von 59.2 Prozent jedoch solide da.
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1. Sem. 2024 |
1. Sem. 2023 |
+/– |
Nettoerlöse |
Mio. CHF |
444.9 |
477.9 |
– 6.9% |
EBIT |
Mio. CHF |
37.8 |
70.1 |
– 46.1% |
EBIT-Marge |
% |
8.5 |
14.7 |
– |
Cash Flow 1 |
Mio. CHF |
67.8 |
85.7 |
– 20.9% |
Cash Flow-Marge |
% |
15.2 |
17.9 |
– |
Konzerngewinn |
Mio. CHF |
9.4 |
50.7 |
– 81.5% |
Investitionen |
Mio. CHF |
34.7 |
128.0 |
– 72.9% |
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Bilanzsumme |
Mio. CHF |
1 298.7 |
1 289.7 |
0.7% |
Eigenkapital |
Mio. CHF |
768.9 |
777.4 |
– 1.1% |
Eigenkapitalanteil |
% |
59.2 |
60.3 |
– |
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Mitarbeitende |
Headcount |
3 727 |
3 789 |
– 1.6% |
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Kurs Namenaktie A höchst |
CHF |
41.45 |
47.80 |
– |
Kurs Namenaktie A tiefst |
CHF |
30.45 |
36.80 |
– |
1 betrieblicher Geldfluss vor Veränderung Nettoumlaufvermögen
Unabhängig von der allgemein herausfordernden Marktsituation im ersten Halbjahr mussten Verwaltungsrat und Gruppenleitung eine sehr schwierige, einschneidende Entscheidung treffen: die Einstellung der Glasproduktion am Standort St-Prex noch in diesem Jahr. Im März hatte der Verwaltungsrat ein Konsultationsverfahren über die Zukunft des Produktionsstandorts eingeleitet. Die von den Arbeitnehmervertretern vorgelegten Vorschläge wurden danach eingehend geprüft – jedoch ohne ein tragfähiges Ergebnis. Mitte Mai beschloss der Verwaltungsrat die Schliessung des Werks.
Diese Entscheidung kam nicht völlig unerwartet: Der über hundert Jahre alte Standort litt bereits seit Jahren unter Schwierigkeiten im Hinblick auf Rentabilität sowie Standort und Grösse. Umfassende Analysen hatten gezeigt, dass selbst bei Investitionen im zweistelligen Millionenbereich ein rentabler Betrieb des Werks auf Dauer nicht möglich wäre. Die Einstellung der Produktion war daher aus wirtschaftlicher Sicht unausweichlich.
Die Entscheidung zur Schliessung war für uns ein sehr schwerer Schritt, nicht zuletzt da in St-Prex die Ursprünge unseres Unternehmens liegen. Besonders hart trifft es dabei die Belegschaft vor Ort: 175 Arbeitsplätze müssen am Standort abgebaut werden – allerdings nicht auf einmal, sondern in mehreren Phasen. Die ersten Kündigungen mussten wir bereits Ende Juni aussprechen. Aufgrund des hohen Krankenstands und des kritischen Zustands der Schmelzwanne und der Anlagen haben wir zudem die Produktion ebenfalls Ende Juni rund zwei Monate früher als geplant eingestellt, ein sicherer Betrieb war nicht mehr gewährleistet.
Der mit den Gewerkschaften ausgehandelte Sozialplan enthält alle bereits Mitte Mai von Vetropack angekündigten Massnahmen wie Abgangsentschädigungen, Prämien und Leistungen bei möglichen Frühpensionierungen. Zusätzlich richten wir ein eigenes Job Center ein, um unsere Mitarbeitenden bei der Suche nach neuen Stellen zu unterstützen.
Bereits im Juni haben wir mit der Verlagerung der Produktion aus St-Prex an andere Vetropack-Standorte begonnen, um sicher zu stellen, dass unsere Schweizer Kunden wie gewohnt weiter beliefert werden.
Die Schliessung des Werks in St-Prex bedeutet – auch wenn es immer wieder Spekulationen in diese Richtung gab – keinesfalls unseren Rückzug aus dem Heimatmarkt Schweiz. Die oft jahrzehntelangen guten Beziehungen zu unseren Kunden werden wir auch künftig intensiv pflegen: Unser Schweizer Vertriebsteam wird deshalb weiter kundennah von Bülach aus arbeiten. Und auch unser Unternehmenshauptsitz wird weiterhin in Bülach bleiben.
Besonders hervorzuheben sind unsere Aktivitäten im Bereich des Altglas-Recyclings: Wir setzen unsere Zusammenarbeit mit den kommunalen Partnern in der Schweiz unverändert fort und planen diese, wo möglich, sogar auszuweiten. Als wichtiger Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie wird Vetrorecycling weiterhin Altglas sammeln und zum Recycling in andere Standorte der Vetropack-Gruppe transportieren. Dort wird das Altglas wieder für die Produktion neuer Glasverpackungen eingesetzt.
Der Fokus auf Nachhaltigkeit und insbesondere Umwelt- und Klimaschutzmassnahmen bleibt gruppenübergreifend einer unserer zentralen strategischen Eckpfeiler. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen steigen die regulatorischen und ökologischen Anforderungen an die Glasproduktion in Europa kontinuierlich – was zusätzliche Investitionen und Innovationen erfordert. Zum anderen gehen wir davon aus, dass die Nachfrage nach Glasverpackungen wegen ihrer herausragenden Recycelbarkeit und Wiederverwertbarkeit in den kommenden Jahren ansteigen wird.
Bereits 2022 hatte Vetropack angekündigt, sich im Rahmen der Science Based Targets initiative (SBTi) verstärkt für den Klimaschutz einzusetzen. Im April dieses Jahres haben wir konkrete Ziele zur Reduktion unserer CO2-Emissionen bei der SBTi eingereicht – und damit unser hohes Engagement für Nachhaltigkeit noch einmal unterstrichen.
Ein wichtiger Schwerpunkt liegt zudem auf der Steigerung des Recyclingglas-Anteils in unserer Produktion auf 70 Prozent bis 2030. In diesem Zusammenhang führen wir in Kroatien ein Pilotprojekt mit dem Europäischen Behälterglasverband (FEVE) sowie lokalen Partnern durch, um die Recyclingquote bei Glasverpackungen zu verbessern. Unser Team vor Ort ist dabei einer der Treiber des «Digital Recycling Pilot Project», einer Kampagne zur Aufklärung und Sensibilisierung der Verbraucher.
Innovation in der Herstellung und bei unseren Produkten ist eines der Kernziele unserer Strategie 2030. Eines der wichtigsten Projekte bleibt dabei das Ausrollen unserer innovativen Technologie zur thermischen Härtung von Behälterglas in den Massenmarkt. Hier haben wir im Februar einen wichtigen Meilenstein erreicht: Zusammen mit der Brau Union Österreich, einer Tochter des Heineken Konzerns, haben wir die neue, auf unserer Innovation basierende 0,33-Liter-Mehrwegflasche vorgestellt, die künftig die Standardlösung für die Brauwirtschaft in Österreich sein wird. Mit der Marke «Biostoff» hat Gösser das erste österreichische Bier in den neuen Standardflaschen auf den Markt gebracht.
Auch international sorgt unsere neuartige Technologie weiter für Aufsehen: Im Juni wurde Vetropacks Mehrwegflasche aus gehärtetem Leichtglas während der ProPak Asia in Bangkok mit dem begehrten «WorldStar Award» ausgezeichnet. Sie gehört zu den Gewinnern in der Kategorie «Packaging Material & Components». Diese Anerkennung bestätigt unsere Fähigkeit, nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die den Marktanforderungen entsprechen und neue Standards in unserer Branche setzen können.
Die Modernisierung unserer Produktionsstätten ist stets im Fokus, so beispielsweise im tschechischen Kyjov: Ende Januar hatten wir dort die erneuerte Schmelzwanne für die Produktion von farbigem Glas sowie zwei hochmoderne NIS-Produktionsmaschinen mit Servoantrieb und eine AIS-Maschine in Betrieb genommen.
Technologische Innovation und Nachhaltigkeit gehen in unserem 2023 neu eröffneten Werk im norditalienischen Boffalora sopra Ticino Hand in Hand: Seine Produktionsanlagen zählen zu den modernsten und nachhaltigsten in Europa. Unter anderem durch die Integration leistungsstarker und intelligenter Technologien ermöglicht unsere «Glasfabrik der Zukunft» eine Steigerung der Produktionskapazität um bis zu 70 Prozent bei gleichzeitig ressourceneffizienterer und nachhaltigerer Produktion. Die Teams vor Ort arbeiteten mit Hochdruck daran, das Potenzial dieser Technologien voll zu entfalten und für bestehende wie neue Kunden gewinnbringend einzusetzen.
Positives gibt es weiter von unserem Werk am Standort Hostomel zu berichten: Trotz des anhaltenden russischen Angriffskriegs läuft die Produktion in unserem ukrainischen Werk wieder stabil. Das Team vor Ort leistet grossartige Arbeit und die Wiederaufbauarbeiten schreiten gut voran.
Gleichzeitig laufen die Auszahlungen der Vetropack Stiftung Gostomel an ukrainische Mitarbeitende und deren Familien weiter, deren Wohnung im Krieg zerstört wurde, die schwer verletzt oder getötet wurden. Die von Vetropack ins Leben gerufene Stiftung, in die Spenden von Mitarbeitenden an anderen Standorten, Geschäftspartnern und Kunden flossen, ist schon jetzt eine Erfolgsgeschichte und ein grossartiges Zeichen der Solidarität mit den Kollegen und Kolleginnen in dem vom Krieg gezeichneten Land.
Zeichen wie diese sind deshalb wichtig, weil sie belegen, dass der Teamgeist und der Leistungswille bei unseren Mitarbeitenden auch in diesen schwierigen Zeiten hoch bleiben. Das zeigen die Ergebnisse unserer letzten Mitarbeiterbefragung, deren Ergebnisse uns nun vorliegen: Standortübergreifend nutzten 73 Prozent aller Vetropack-Mitarbeitenden die Möglichkeit, in der anonymen Umfrage ihr Feedback abzugeben und so die weitere Entwicklung von Vetropack im Rahmen der Strategie 2030 voranzubringen. Die Ergebnisse zeigen, dass unsere Mitarbeitenden uns als Arbeitgeber nach wie vor hoch einschätzen. In der Schweiz wurden wir als «Great Place to Work» zertifiziert. Und auch in anderen Ländern wie der Slowakei, Tschechien, Italien und der Ukraine erhielten wir gute Noten.
Auch wenn unsere Mitarbeiterzahl gruppenweit im ersten Halbjahr leicht auf 3'727 Mitarbeitende sank (Vorjahr: 3'789 Mitarbeitende), ist solch positives Feedback für uns extrem wertvoll: Es zeigt, dass unsere Reputation als Arbeitgeber hoch bleibt – was uns angesichts des wachsenden Fachkräftemangels in den kommenden Jahren dabei helfen wird, neue Talente zu rekrutieren.
Einen Beitrag dazu dürfte auch unsere im Februar neu gelaunchte Website leisten. Sie soll durch ihr modernes Design und packenden Inhalt unsere Kunden, Investoren und potenzielle Mitarbeitende für unsere Produkte begeistern und ihnen zeigen, wie Vetropack als traditionsreiches Unternehmen die Zukunft gestaltet. Dafür werden fünf Versprechen zu den für Vetropack zentralen Themen Nachhaltigkeit, Innovation, Sicherheit, Teamwork und Expertise formuliert – und mit Geschichten aus dem Unternehmen belegt.
Ein Thema, das nicht nur uns, sondern auch unsere Kunden aus der Getränke- und Lebensmittelbranche bereits jetzt zunehmend beschäftigt, ist die neue EU-Verpackungsverordnung (PPWR, Packaging and Packaging Waste Regulation). Die Umstellung von nicht bindenden, nationalen Richtlinien auf ein EU-weites Gesetz, das Mehrweg- und Recyclingquoten festlegt, wird unser Marktumfeld zwangsläufig stark beeinflussen. Wir gehen allerdings davon aus, dass Glasverpackungen von den neuen Regularien profitieren werden.
Abgesehen von solchen regulatorischen Änderungen sind es vor allem die schwierigen, in Teilen krisenhaften Rahmenbedingungen, die uns in der zweiten Jahreshälfte weiter beschäftigen werden. Für uns steht dabei nach wie vor der Krieg in der Ukraine im Vordergrund. Allerdings zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahre, dass selbst Ereignisse wie die US-Wahl im Spätherbst Auswirkungen auf die weitere Entwicklung unseres Geschäfts haben können – auch wenn wir gar keine Niederlassung in Nordamerika haben. Verbraucher und Märkte reagieren sensibel und mitunter heftig auf solche Ereignisse und Veränderungen – mit starken Auswirkungen auf den Konsumgütermarkt und damit auch auf unser Geschäft.
Zwar beobachten wir eine leichte, sehr langsame Erholung der Nachfrage nach Glasverpackungen. Diese ändert aber nichts an der Minderauslastung unserer Produktionskapazitäten. Aufgrund des hohen Wettbewerbs und der Überkapazitäten im Markt rechnen wir mit einer weiter angespannten Preissituation – auch wenn sich diese bislang in einem überschaubaren Rahmen halten. Dazu kommen notwendige und nicht aufschiebbare Investitionen in unsere Produktionsanlagen wie der Wannenneubau an unserem kroatischen Standort.
2024 wird deshalb das erwartet herausfordernde Jahr für die Vetropack-Gruppe bleiben: Die leichte Umsatzsteigerung gegenüber dem schwachen zweiten Halbjahr 2023 ist zwar ein erstes positives Zeichen. Wir gehen aber weiterhin davon aus, dass das operative Ergebnis (EBIT) im Geschäftsjahr 2024 trotz der prognostizierten Volumensteigerung unter dem Niveau von 2023 liegen wird.
Die Stärke unserer Organisation, unsere Marktexpertise und Innovationskraft lassen uns jedoch optimistisch in die Zukunft und vor allem auf das kommende Geschäftsjahr 2025 blicken. Wir werden die zweite Jahreshälfte 2024 deshalb insbesondere nutzen, um entsprechend Schwung für das kommende Geschäftsjahr aufzubauen.
Bülach, 26. August 2024
Claude R. Cornaz
Präsident des Verwaltungsrats
Johann Reiter
CEO